27.04.2018 GEDOK-Konzert in Kooperation mit der BLB
Werke der E- und U-Musik aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg werden in einer Rahmenerzählung verbunden. Dabei greifen die Künstlerinnen auf Bestände der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe zurück.
Cornelia Gengenbach – Klavier
Hanna Jüngling – Geige
Rita Huber-Süß – Stimme
Ursula Zetzmann – Rezitation
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges brach sich in der Musik die sogenannte „Atonalität“ nach vielen Vorläufern Bahn. Die Auflösung bekannter Formen und Strukturen
geschah zeitgleich in allen Künsten. Kurz vorher, 1909, waren Schönbergs „Klavierstücke“ entstanden.
„Atonale“ Motive und Einfälle existierten schon lange vorher, aber diese Vorläufer blieben immer eingebettet in eine umfassende, bergende Tonalität. Mit dem Kriegsende erschien dieser sichernde
Boden zerbrochen, weggezogen, eine Illusion zu sein. Man suchte aus den bodenlos gewordenen Bruchstücken etwas Neues zu schaffen, die einen durch die Rekonstruktion einer tonalen Traumwelt, die
anderen durch die radikale Akzeptanz des Zerbruchs.
Mit der Atonalität verlor die Musik den Bezug auf ein tonales Zentrum – einen Grundton. Alle Beteiligten, spielende wie zuhörende, müssen einen „musik-logischen“ Zusammenhang je neu herstellen.
Dies führte langfristig zu der heute formulierten Trennung von „E-Musik“ und „U-Musik“.
Man kann Menschen beim Pfeifen einer Melodie von Verdi, Mozart oder Bach zuhören, aber selten werden diese ein atonales Stück pfeifen. In der Unterhaltungsmusik oder beim Chanson wird, unter
bewusster Abkoppelung von der Entwicklung der atonalen „Neuen Musik“, tonal komponiert.
Das Konzertprogramm befasst sich mit der postulierten Relativität der Hörgewohnheiten, spürt der Entwicklung nach 1918 nach, sucht aber auch die tief in die Geschichte zurückreichenden
ästhetischen und traditionellen Gründe, die diese Entwicklung überhaupt erlaubt haben. Bislang ist keine Kultur bekannt, die so radikal ihre ästhetischen Strukturen aufgebrochen und entsprechend
weitergeführt hat. Die Potenz dazu ist folgerichtig in dieser Musiktradition selber zu suchen.
09.03.2018
Klavierwerke, Lieder und Duos für Klavier und Geige
von Gabriel Fauré, Claude Debussy und Lili Boulanger
Rita Huber-Süß, Stimme
Annelie Groth, Geige
Jeannette La-Deur, Klavier
Im März 2018 jähren sich die Todestage von Lili Boulanger (15.03.1918) und Claude Debussy (25.03.1918).
Beide lebten in Paris und beide waren Preisträger des renommierten „Grand Prix de Rome“ und damit Stipendiaten in der Villa Medici. Lili Boulanger gelang dies 1913
als erster Frau, und das im Alter von 20 Jahren! Die GEDOK Karlsruhe veranstaltet zu ihrem Angedenken einen Kammermusikabend mit Werken für Stimme, Geige und Klavier von Gabriel Fauré
(1845-1924), Claude Debussy (1862-1918) und Lili Boulanger (1893-1918).
Gabriel Fauré, Kompositionslehrer von Lili Boulanger, komponierte noch stark in diatonisch gebundener Harmonik und in einer eigenen poetisch nuancierten Tonsprache, wohingegen Debussy während seines Studiums wegen zahlreicher „Verstöße gegen die tradierten Regeln der Harmonielehre“ auffiel. Bei Claude Debussy und Lili Boulanger sind die Akkorde nicht mehr funktional gebunden, sondern erklingen schwebend nebeneinander. Dissonanzen und Chromatik emanzipieren sich und zeigen sich in ihrem eigenen Klangwert. Durch die Akkordverbindungen entstehen atmosphärische Klangfarben und Klangflächen. Ihre Musik ist dem musikalischen Impressionismus zuzuordnen.
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Feuerbachsaal
13.01.2018 Neujahrskonzert
Tragikomisches Musiktheater zum Jubiläum des Kriegsendes 1918
Rita Huber-Süß, Stimme, Klavier
Karin Huttary, Percussion
Hanna Jüngling, Violine
Europa erlebt seit 1918 einen „Umbruch“ nach dem anderen. Brüche sind Trumpf, Innovationen ein „Must-have“, und Stillstand, auch der im erreichten Ideal, ist das absolute „NoGo“. Man treibt uns zum Kauf von Neuheiten mit immer kürzerer Halbwertszeit. Es muss vorwärtsgehen. Und ohne Krieg „läuft da gar nichts“. Man plant Leben und Tod in „Thinktanks“. Zu Deutsch: Der Führungsstab spielt in abgeschlossenen „Denk-Räumen“ den „Kopf“, während wir als „Infanterie“, als bloße „Manpower“ im (für uns noch) virtuellen Feld stehen? Die propagierte Endlosschleife vom „Aufbruch“ - kryptische Dauerwerbung für den Schwelbrand, der seit 1918 weltweit nicht mehr zum Stillstand kam?
Die Musikerinnen der GEDOK Rita Huber-Süß (Stimme), Karin Huttary (Percussion), und Hanna Jüngling (Violine), gehen diesem postmodernen Szenario in einem Collagen-„Mobile“ nach. Sie konfrontieren und „patchen“ dabei traditionelle „Bewegungs“-Klänge wie Märsche, „Zigeunermusik“, Kaufhaussongs, Leierkästengeorgel und Wanderlieder mit kriegerischen, sozialen und ökonomischen Kontexten, der Revolution der Geschwindigkeiten und der Reaktion des „antiquierten Menschen“ (Günter Anders) darauf.
Die liebevolle Zeichnung des „antiquierten Menschen“ steht im Vordergrund. Ihn quält die Scham und Wut darüber, nicht so perfekt wie seine immer perfekteren Maschinen und Waffen zu sein. Aber er könnte den despotischen Dauer-Aufbruchsappell aus den „Thinktanks“ nach wie vor unterlaufen, wenn er sich nicht korrumpieren lässt. Immer noch steht Brechts Satz im Raum: „Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin.“
(Text: Hanna Jüngling)
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